Rezension : Ningen no songen to jinkaku no jiritsu, Michael Quante, (übersetzt von Yasushi Kato et. al., Housei Daigaku Shuppankyoku, 2015Das Original ist Menschenwürde und personale Autonomie, Felix Meiner Verlag, 2010

  

  

 

Tosho Shimbun (Zeitung für Buchbesprechung), N. 3219, 15 August 2015

  

 

  

 

Tetsuhiko Shinagawa

 

 

 

     Dieses Buch ist die vierte Übersetzung von Quantes Werke, die seit 2011 in rascher Folge auf Japanisch übersetzt worden sind: wir haben schon Hegel no koui gainen (Hegels Begriff der Handlung), Jinkaku (Person) und Doitsu iryou tetsugaku no saizensen (Personales Leben und menschlicher Tod). Quante hat seine wissenschaftliche Karriere vom Studium Hegels begonnen, aber seit seiner Habilitation (Personales Leben und menschlicher Tod) hat er auch über die bio- und medizinische Ethik seinen Gedanke energisch publiziert. Von diesem Buch kann man ablesen, dass er sie nicht nur als das zweite Thema seiner Forschung, sondern auch genau wie Hegel-Forscher in der Dimension behandelt hat, die Sitte und Sittlichkeit der gegenwärtigen Gesellschaft zu betrachten. Der Nebentitel des Buches heißt: Demokratische Wert im Kontext der Lebenswissenschaften. Das bedeutet, dass der Autor weit von dem Stand entfernt ist, einerseits die überkommende Werte und anderseits die von der neuen Technologie erbahnten Möglichkeiten zu legen und alsdann entweder aufgrund jener diese als zulässig oder unzulässig zu entscheiden oder dieser nur Folge zu leisten, um dann jene zu untergraben. In dem Zentrum der demokratischen Werten finden sich nach dem Autor zwei Werte: Autonomie und Menschenwürde. Autonomie bedeutet, dass jeder nach seinem Wert sein Leben führen kann. Menschenwürde bedeutet, dass jedes Seiende, das autonom handeln kann, keineswegs als ein schlechthinniges Mittel zum fremden Zweck behandelt werden darf. Dieses Buch bestätigt, in welcher Weise man diese Werte in der Debatte über die Benutzung der technologischen Manipulationen des menschlichen Lebens erwähnt, und welche Logik zum Urteil über ihre Zulässigkeit oder Unzulässigkeit leitet, und fragt, ob die dort gebrachte Denkweise als echte Argumentationen gerechtfertigt werden kann, und verweist uns auf den Weg der fruchtbaren Diskussion. Mit anderen Worten bietet uns der Autor mit seinem „tough“ Denken, welche Werte unsre säkulare und pluralistische Gesellschaft verteidigen muss, obwohl sie von den von der neuen Technologie gestellten Probleme erschüttert wird.

 

 

    Während der Respekt vor Autonomie oder Selbstbestimmung einer individuellen Person schlechthin leitet zur liberalen Eugenik (obwohl der Autor nicht diesen Begriff benutzt), die in dem ersten Artikel des Grundgesetzes Deutschland ausdrücklich geschriebene Menschenwürde kann zum A und O umgebildet werden, das die Benutzung des menschlichen Gewebes eindeutig verhindert. Der Autor gehört zu keinem der zwei Lager (obwohl er vorsichtiger gegen Konservatismus als gegen liberale Eugenik ist, weil die Debatte in Deutschland nach seiner Meinung ideologisch steifer worden ist). Hier erwähne ich zwei eigene und wichtige Konzeptionen in Quantes biomedizinischer Ethik: Persönlichkeit im Gegensatz zu Personalität und das Verhältnis zwischen menschliches Leben und Person. Während Personalität die Bedingungen bedeutet, um Person zu sein, deren Kern die Fähigkeit zur Autonomie oder Selbstbestimmung ist, wird Persönlichkeit von jeder Person durch ihrer eigenen Bewertung gegenüber ihr Leben integral ausgebildet. Die Personalität wird in der gesellschaftlichen Interaktionen gebildet und darin manifestiert sich der Charakter der Person. Daher kann man sie intersubjektiv verstehen. Hier findet sich ein Grund dafür, dass die Benutzung einer neuen Technologie nicht mit der Selbstbestimmung der jeweiligen Person schlechthin erlaubt werden kann, sondern auch bedarf, intersubjektiv wertend gerechtfertigt zu werden. Daher kann z. B. die Gefahr der Klonung eines menschlichen Individuums vom Standpunkt der biografischen Identität der Persönlichkeit diskutiert werden. Jeder Mensch ist nicht in allen Zeitpunkten seines Lebens eine Person, aber die Persistenz seines menschlichen Lebens entsteht durch sein ganzes Leben hindurch. Daher kann z. B. die Selbstverfügung einer Person für das medizinische Verfahren auch noch nach dem Verlust ihrer Personalität gültig sein. Generell gesprochen schlägt Quante vor, dass wir mit dem Respekt vor Autonomie und Menschenwürde und aufgrund der eigenen sowie in der Gesellschaft intersubjektiv zu akzeptierende Lebensqualitätsbewertung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des jeweiligen Verfahrens entscheiden, ohne über es mit derjenigen Kriterien zu urteilen, ob das zu verfahrende Gegenstand eine Person mit der Fähigkeit zur Selbstbestimmung ist oder nicht, bzw. ob ihm Menschenwürde zugeschrieben werden kann oder nicht (wie oft sind solche Argumente vorgebracht worden! In einem anderen Buch hat Quante den Ausdruck „bioethische Guillotine“ benutzt.) Überdies läuft seine Strategie nicht auf die utilitaristische Schätzung der von dem Verfahren gebrachten Resultate hinaus. Wie die Wichtigkeit der gesellschaftlichen Solidarität z. B. in der Beobachtung der Präimplantationsdiagnostik oder der Sterbehilfe in Rechnung gestellt wird, liegt  seiner Beobachtung die Frage zugrunde, welche Gesellschaft wir hoffen sollen. Soeben habe ich geschrieben, dass Quante genau als Hegel-Forscher in der Dimension behandelt hat, die Sitte und Sittlichkeit der gegenwärtigen Gesellschaft zu betrachten. Ich glaube, dass viele Leser dafür sein werden.

 

 

    Was japanische Leser diesem Buch ablernen sollen, ist nicht nur Quantes sachliche Analyse der deutschen Situation, sondern auch vielmehr seine Stellung: die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der neuen Biotechnologie sollen wir auch in der Dimension der Frage „Welche Gesellschaft sollen wir, Japaner, hoffen?“ zwar in unserer gegenwärtigen Situation in Japan betrachten, in der man den Begriff der Menschenwürde in der Verfassung nicht findet und auch die Verfassung selbst vielleicht vernachlässigt werden kann.

 

 

 

 

  SHINAGAWA Tetsuhiko's Research Achievement